Pre-IPO Private Placements: Nicht nur etwas für Tech-IPOs in den USA.

16. März 2020

Pre-IPO Private Placements: Nicht nur etwas für Tech-IPOs in den USA. Peter Huber/Prof. Dr. Michael Schlitt, Partner Hogan Lovells

Die Fenster für Börsengänge schließen sich mitunter sehr abrupt und wenig vorhersehbar, wie z.B. in der zweiten Oktoberhälfte 2018 oder das aktuelle Frühjahresfenster, das sich Coronavirus-bedingt gar nicht erst öffnete. Es überrascht daher nicht, dass Privatplatzierungen von Aktien bei Investoren im Vorfeld eines Börsengangs in der jüngeren Vergangenheit eine große Bedeutung gewonnen haben. Mittlerweise gehören sie nicht nur bei Tech-IPOs in den USA, sondern auch in Europa über Sektorgrenzen hinaus zum Standard-Repertoire bei der Kapitalbeschaffung von Wachstumsunternehmen.

Struktur

Den Standardfall eines Pre-IPO Private Placements gibt es freilich nicht. Vielmehr ist eine Vielzahl von Spielarten anzutreffen.

Zunächst werden Privatplatzierungen in unterschiedlichen Stadien der Unternehmenshistorie durchgeführt. Werden sie kurz vor dem Börsengang umgesetzt, weisen sie Ähnlichkeit mit der Gewinnung eines Cornerstone Investors beim IPO auf. Ist der Gang an die Börse hingegen erst mittelfristig geplant, rücken sie in die Nähe einer klassischen Venture Capital Late Stage Runde.

Was die Herkunft der platzierten Anteile anbelangt, sind zwei Ausprägungen von Private Placements zu unterscheiden: Entweder platziert die Gesellschaft neue, im Rahmen einer Kapitalerhöhung geschaffene Anteile oder die Gesellschafter veräußern bestehende Anteile an der Gesellschaft. Im ersten Fall erhält die Gesellschaft den Veräußerungserlös (primary), im zweiten Fall kommt er den veräußernden Gesellschafter zu (secondary). Häufig werden die beiden Spielarten Primary und Secondary kombiniert, so dass sowohl die Gesellschaft, als auch die Gesellschafter Anteile bei Investoren platzieren.

Auch bei den im Zuge einer Privatplatzierung gewonnenen Investoren ist eine große Bandbreite anzutreffen. Häufig ist zu beobachten, dass ein Private Equity Investor das Private Placement als Lead Investor anführt und einen signifikanten Betrag investiert. Dem Lead Investor schließen sich dann weitere Investoren an. Neben Private Equity Investoren und Late Stage VC-Investoren zählen Investoren, die klassischerweise in börsennotierte Werte investieren (z.B. Pensionsfonds), als auch Staats- und Hedge Fonds dazu. Zuweilen beteiligen sich auch börsennotierte Growth-Funds, Family Offices, strategische Investoren und sogar einzelne „Very High Net Worth Individuals“. Idealerweise gelingt es im Rahmen des Private Placement mehrere Cross Over-Investoren als Gesellschafter zu gewinnen, also Investoren, die sowohl in nicht-börsennotierte und börsennotierte Gesellschaften investieren können. Cross Over-Investoren ist es häufig nicht daran gelegen, die Beteiligung bei einem IPO unmittelbar zu reduzieren, im Gegenteil kaufen sie dann typischerweise weitere Aktien hinzu. Aufgrund ihrer früheren Beteiligung kennen sie die Gesellschaft und die handelnden Personen und haben ein besseres Verständnis von deren Geschäft.

Bei den als Finanzberater begleitenden Investmentbanken agieren häufig spezialisierte Private Placement Teams; nicht selten werden solche Deals aber auch mit Hilfe des ECM Desks abgewickelt.

Motive für ein Pre-IPO Placement

Pre-IPO Private Placements sind unter mehreren Gesichtspunkten sehr attraktiv. Privates Kapital abseits der Kapitalmärkte ist momentan im Überfluss vorhanden und damit sehr günstig. Investoren suchen momentan fast schon verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten. Investments in Gesellschaften, die einen IPO evaluieren, sind besonders attraktiv: Zum einen besteht hier die Möglichkeit, zu einem Preis zu investieren, der (vermutlich) niedriger ist als der spätere IPO-Platzierungspreis. Zum anderen ist ein Investment in einen reifen Börsenkandidaten typischerweise weniger riskant als bei einem Venture Capital Investment in einer frühen Phase seiner Unternehmensentwicklung. Hinzu kommt, dass ein sich am Horizont bereits abzeichnender IPO den Investoren die konkrete Chance auf einen zeitnahen Ausstieg aus ihrem Investment (exit) eröffnet und sich binnen kurzer Zeit mit beschränktem Risiko Renditen im zweistelligen Prozentbereich realisieren lassen. Es gibt also einen mitunter recht klaren sog. „Path to Liquidity“ und die Investoren müssen kaum fürchten, auf Jahre in einer nicht fungiblen Beteiligung gefangen zu bleiben.

Für die das Private Placement betreibende Gesellschaft wiederum eröffnet das günstige private Kapital die Möglichkeit, ihr Unternehmen mit den neu eingeworbenen Mitteln weiter entwickeln zu können, ohne zwingend auf einen unmittelbaren Gang an den Kapitalmarkt angewiesen zu sein. Auch der häufig in Deutschland anzutreffende zu frühe Exit mangels weiterer Finanzierungsmöglichkeiten lässt sich durch ein Private Placement in den Griff kriegen. Die Gesellschafter sind nicht darauf angewiesen, ihre Gesellschaft zu einer Bewertung zu veräußern, die nicht das volle Potential der Geschäftsidee widerspiegelt. Sie können die nächste Stufe der Entwicklung des Unternehmens angehen, etwa einen größeren Track Record bei der Produktentwicklung demonstrieren, ggf. bereits das Stadium der Profitabilität erreichen und so die spätere IPO- oder Exit-Bewertung maßgeblich steigern. Damit die Gründer, frühe Investoren und Mitarbeiter diesen tendenziell etwas längeren Pfad zum Exit mitgehen, können im Zuge eines Pre-IPO Private Placementerste Erlöse realisiert werden: Die Gesellschaft hat oftmals die Möglichkeit, einen Teil des eingeworbenen Gelds über das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm auszuschütten, indem sie (virtuelle) Mitarbeiter-Optionen zurückkauft. Gründer und Investoren können über die Secondary Tranche Anteile verkaufen und so die Wertsteigerung der Gesellschaft realisieren um z.B. Ausschüttungen an ihre eigenen Investoren vornehmen und damit ihr Investmentrisiko reduzieren. Auch lässt sich eine im Zuge eines IPO typischerweise vereinbarte Lock-up-Vereinbarung, innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem IPO (6-12 Monate) keine Aktien zu veräußern, den Altgesellschaftern wesentlich leichter vermitteln, wenn vor dem IPO schon erhebliche Mittel geflossen sind.

Abseits von Marktvolatilitäten ist ein Private Placement zudem ein effektives Instrument, um die Transaktionssicherheit für den IPO zu erhöhen. Wenn sich bekannte Investoren im Vorfeld des IPO an der Gesellschaft beteiligen, ist dies ein starkes positives Signal für die IPO-Vermarktung. Für die Gesellschaft ist eine starke Nachfrage nach Aktien von bestehenden Gesellschaftern ein sehr überzeugendes Marketing; zudem gibt es ihr mehr Sicherheit, dass ausreichend Nachfrage im Markt für einen erfolgreichen IPO vorhanden ist.

Technische Umsetzung

Die technische Umsetzung ähnelt der einer spät-phasen Venture-Beteiligung kombiniert mit einer M&A Transaktion. Neben einer Investment-Vereinbarung (investment agreement), die den Primary regelt, und einem Anteilskaufvertrag für den Secondary (secondary SPA), ist eine Gesellschaftervereinbarung (shareholders‘ agreement) abzuschließen. Entscheidend ist dabei, das die gesamte Dokumentation IPO-fähig auszugestalten. Die Gesellschaftervereinbarung sollte z.B. den Weg an die Börse klar skizzieren, entsprechende Kooperationsverpflichtungen für alle Beteiligten enthalten und auch Vorkehrungen treffen, wenn der IPO wider Erwarten ausbleibt.

Den später bei einem IPO erforderlichen Wertpapierprospekt benötigt man in diesem Stadium noch nicht. Allerdings sind dann, wenn die potentiellen Investoren Planzahlen sehen möchten, beim Abschluss der zu Beginn des Prozesses zu vereinbaren Vertraulichkeitsabreden (non disclosure agreements) gewisse vertragliche Besonderheiten zu beachten.

Auch die Festlegung des Preises für die zu platzierenden Anteile ist nicht ohne Komplexität, da dieser einen gewisser Anker bildet: Der im Rahmen der Privatplatzierung vereinbarte Kaufpreis, zuzüglich eines gewissen Aufschlags, dürfte häufig als Untergrenze für den Platzierungspreis beim IPO angesehen werden, da die im Pre-IPO Private Placement eingestiegenen Investoren einen dokumentierten Buchverlust kurz nach ihrem Investment nicht zulassen werden. Umgekehrt erfordert es gute Argumente, beim IPO eine Bewertung der Gesellschaft durchzusetzen, die vielfach höher ist als die Bewertung im Rahmen des Pre-IPO Private Placement.

Unter Umständen kann es aus Sicht der Gesellschaft sogar ratsam sein, einen Pre-IPO Private Placement Prozess parallel zu einem IPO-Prozess aufzusetzen. Ein solcher Dual Track bindet zwar Managementkapazitäten, erhöht aber die Optionalität für die Beteiligten und damit die Transaktionssicherheit. Oft kann ein Pre-IPO Private Placement noch im Rahmen der IPO-Vorbereitungen gestartet werden, da der Zeitraum von Marktansprache bis Vollzug mit 3-4 Monaten überschaubar kurz ist.

Angesichts der schnellen Umsetzbarkeit und der Entkoppelung von Marktvolatilitäten ist die Pre-IPO-Privatplatzierung daher häufig eine interessante Vorbereitungsmaßnahme für einen IPO. Pre-IPO Private Placements im Vorfeld von 6 bis 24 Monate vor einem Börsengang werden in Deutschland daher auf absehbare Zeit eine zunehmend größere Rolle spielen.

Die Autoren

Peter Huber

Partner

Hogan Lovells

Prof. Dr. Michael Schlitt

Partner, Leiter Praxisgruppe Kapitalmarktrecht

Hogan Lovells

 
 

Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner im Frankfurter Büro von Hogan Lovells und leitet das Capital Markets Team in Deutschland. Er verfügt über umfassende Erfahrung bei internationalen Kapitalmarkttransaktionen, insbesondere bei Pre-IPO Privatplatzierungen, Börsengängen, Kapitalerhöhungen, Platzierungen von Wandel-, Options-, Umtausch-, Hybridanleihen und der Begebung von High Yield Bonds sowie Block Trade-Transaktionen und öffentlichen Übernahmen. Er berät Investmentbanken und international tätige Konzerne auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts sowie des Aktien-, Übernahme- und Umwandlungsrechts.Er ist Honorarprofessor an der Universität zu Köln und Verfasser zahlreicher Aufsätze und Buchbeiträge, Co-Autor und Co-Herausgeber verschiedener Kommentare und Handbücher zum Kapitalmarkt-, Aktien- und Übernahmerecht. Alle relevanten unabhängigen Publikationen wie z.B. JUVE, Chambers Global, IFLR, Legal 500, Best Lawyers und Who's Who Legal bezeichnen ihn als einen der führenden Anwälte im Bereich Kapitalmarktrecht.

Peter Huber berät seine Mandanten bei M&A, Venture Capital und Private Equity Investments im In- und Ausland. Seine Mandanten schätzen seine "starken analytischen Fähigkeiten, klare Beratung und geschicktes Deal Management" (Legal 500 Germany). Peter Huber wird für komplexe, internationale Projekte mandatiert und unterstützt seine Mandanten bei ihrer strategischen Geschäftsentwicklung.

Im Laufe seiner Karriere war Peter Huber als General Counsel eines VC-Tech-Fonds tätig. Er weiß daher genau, vor welchen Herausforderungen Unternehmensjuristen stehen und wie er das Leben seiner Mandanten erleichtern kann.

In den letzten sechs Jahren war Peter Huber der Corporate Counsel von FlixMobility, der Betreiberin der FlixBus und FlixTrain Services. Er beriet Flix bei jeder Finanzierung einschließlich der Finanzierungsrunde mit TCV und Permira im August 2019. Er begleitete Flix bei der Internationalisierung ihres Geschäfts und der Umsetzung ihrer buy-and-build Strategie, die u.a. 15 Add-on Akquisitionen in 10 Ländern umfasste.

Als Lead Partner hat Peter Huber die weltweite Reorganisation der Exyte AG (vorher: M+W Group; ein High-Tech-Konstruktions- und Engineering-Dienstleister mit EUR 4 Mrd. Umsatz) verantwortet. In deren Zug wurden rund 200 Transaktionen in 30 Ländern der Welt über einen Zeitraum von 18 Monaten abgeschlossen.